Die Kultur- und Kunstszene in Stuttgart steht unter Schock: Der renommierte Ballettdirektor Mikhail Agrest wurde aus seiner Position entlassen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat diese Entscheidung nun bestätigt – ein Paukenschlag für die international angesehene Compagnie. Laut Gerichtsbeschluss wurde Agrests Eilantrag gegen seine Freistellung abgelehnt.
Was sich hinter den Kulissen des Stuttgarter Balletts abgespielt hat, erinnert an ein Drama, das normalerweise nur auf der Bühne stattfindet. Der russisch-amerikanische Dirigent hatte erst im September 2023 die künstlerische Leitung übernommen und stand damit vor einer prestigeträchtigen Aufgabe. Doch nach nicht einmal einem Jahr endete seine Amtszeit abrupt.
Gegenüber Ensemble und Mitarbeitenden soll Agrest ein Verhalten gezeigt haben, das die Theaterleitung als inakzeptabel bewertete. «In einer Kunstinstitution, die vom gegenseitigen Respekt leben muss, waren solche Vorfälle nicht hinnehmbar», äußerte sich ein Insider aus dem Umfeld des Balletts, der anonym bleiben möchte.
Die Situation eskalierte, als Mitarbeiter sich über ein «aggressives und teilweise demütigendes Auftreten» des Direktors beschwerten. Die Intendanz griff daraufhin durch – zum Schutz des Ensembles, wie es heißt.
Ich erinnere mich an meine Gespräche mit Tänzerinnen und Tänzern verschiedener Compagnien in Deutschland. Immer wieder hörte ich, wie fragil das Gleichgewicht zwischen künstlerischer Exzellenz und menschlichem Umgang in der Ballettwelt ist. Die Grenzen zwischen Perfektion und Überforderung verschwimmen leicht.
Die juristische Auseinandersetzung ist damit vermutlich noch nicht beendet. Für das Stuttgarter Ballett bedeutet dies eine Phase der Unsicherheit. Die traditionsreiche Institution, die unter John Cranko Weltruhm erlangte, steht vor der Herausforderung, ihr künstlerisches Niveau zu halten und gleichzeitig eine neue Führung zu finden.
Die Frage bleibt: Wie viel Strenge ist im Kulturbetrieb notwendig, und wo beginnt Respektlosigkeit? In Zeiten, in denen alte Hierarchien hinterfragt werden, könnte dieser Fall über Stuttgart hinaus zum Nachdenken anregen.