Die Insolvenzwelle rollt über Deutschlands Mittelstand hinweg – und scheint kaum zu stoppen. Im ersten Halbjahr 2024 haben bereits über 11.000 Unternehmen Insolvenz angemeldet, 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Besonders betroffen: mittelständische Betriebe mit 10 bis 250 Mitarbeitern. Für viele Familien bedeutet das den Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz.
Was vor Jahren als vereinzeltes Firmensterben begann, ist längst zu einem Flächenbrand geworden. «Wir erleben eine strukturelle Krise, die durch multiple Faktoren verursacht wird», erklärt Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin. Die Gründe sind vielfältig: hohe Energiekosten nach dem Ende günstiger russischer Gaslieferungen, Fachkräftemangel und die anhaltend schwache Binnenkonjunktur.
Auf meinen Recherchereisen durch Baden-Württemberg begegnen mir immer wieder die gleichen Bilder: leerstehende Werkshallen, verzweifelte Unternehmer. «Drei Generationen haben diesen Betrieb aufgebaut», erzählt mir Klaus Winkler, dessen Metallverarbeitungsfirma nach 68 Jahren schließen musste. «Und in einem Jahr ist alles weg.»
Besonders besorgniserregend: Die Krise trifft ausgerechnet den Mittelstand, das vielgepriesene Rückgrat der deutschen Wirtschaft. 58 Prozent der Arbeitsplätze entfallen auf diese Unternehmen. Jede Insolvenz bedeutet durchschnittlich 24 verlorene Arbeitsplätze.
Die Bundesregierung hat zwar ein «Mittelstandspaket» angekündigt, doch viele Experten bezweifeln dessen Wirksamkeit. «Die vorgesehenen Maßnahmen kommen zu spät und greifen zu kurz», kritisiert Wirtschaftsweise Veronika Grimm.
Wie geht es weiter? Prognosen deuten auf eine Fortsetzung des Trends bis mindestens Ende 2024 hin. Die große Frage bleibt: Kann Deutschland seinen industriellen Kern bewahren? Oder erleben wir gerade den Anfang vom Ende des deutschen Wirtschaftsmodells, wie wir es kannten?