In Offenburg beginnt heute der Prozess gegen einen 43-jährigen Mann, der seine Psychotherapeutin während einer Behandlungsstunde getötet haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm heimtückischen Mord vor. Der Fall erschütterte im vergangenen Oktober die gesamte Region, als die 53-jährige Therapeutin in ihrer Praxis durch mehrere Messerstiche ums Leben kam.
Der Angeklagte soll die Tat minutiös geplant haben. Laut Ermittlungsakten, die mir vorliegen, hatte er das Messer gezielt zum Termin mitgebracht und die Therapeutin überrascht, als sie sich Notizen machte. Das Motiv? Offenbar war er unzufrieden mit dem Therapieverlauf und entwickelte eine tiefe Abneigung gegen die Fachfrau.
«Dieser Fall zeigt die erschreckende Verletzlichkeit von Menschen in helfenden Berufen», erklärt Oberstaatsanwalt Harald Lustig. Die Sicherheit von Therapeuten wird seither bundesweit diskutiert. Eine langjährige Kollegin der Getöteten berichtet: «Viele von uns haben ihre Praxisabläufe komplett umgestellt – Panikknöpfe, Notausgänge, manche empfangen Risikopatienten nur noch zu zweit.»
In meinen fast zwanzig Jahren Berichterstattung in Baden-Württemberg habe ich selten einen Fall erlebt, der das Sicherheitsgefühl einer ganzen Berufsgruppe so erschüttert hat. Die Therapeutenkammer Baden-Württemberg verzeichnet seither einen Anstieg von Beratungsanfragen zum Thema Praxissicherheit um 73 Prozent.
Das Landgericht hat acht Verhandlungstage angesetzt. Bei Verurteilung wegen Mordes droht dem Angeklagten lebenslange Haft. Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie schützen wir jene, die anderen helfen? Und wie erkennen wir gefährliche Eskalationen, bevor es zu spät ist?