Die Verhandlung im Berliner Landgericht begann am Dienstag mit schwerem Gepäck: Einem 43-jährigen Palliativarzt wird vorgeworfen, zwischen 2021 und 2022 insgesamt 15 Patienten getötet zu haben. Der Mediziner erschien ruhig im Gerichtssaal, schwieg jedoch zu den Vorwürfen. Sein Verteidiger kündigte an, dass sein Mandant sich «zu gegebener Zeit» äußern werde.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Arzt vor, todkranke Patienten mit Überdosen von Sedierungsmitteln getötet zu haben. Die Opfer waren zwischen 43 und 96 Jahre alt, die meisten befanden sich in palliativer Betreuung. Die Ermittlungen begannen, nachdem ein Krankenhaus auffällige Todesfälle gemeldet hatte.
«Dieser Fall wirft grundlegende ethische Fragen auf», erklärt Rechtsmedizinerin Dr. Martha Schneider. «Die Grenze zwischen Sterbebegleitung und aktiver Sterbehilfe ist juristisch eindeutig, aber in der Praxis oft belastend für medizinisches Personal.»
Während der Verhandlung waren Angehörige der Verstorbenen anwesend. Eine Frau verließ weinend den Saal. Nach fast zwanzig Jahren Berichterstattung über ähnliche Prozesse beobachte ich immer wieder, wie schwer es Familien fällt, mit dem Gedanken umzugehen, dass ein Arzt – eigentlich ein Helfer – zum mutmaßlichen Täter wurde.
Der Prozess findet unter erhöhtem Medieninteresse statt. Auch die Debatte um Sterbehilfe in Deutschland bekommt dadurch neue Aufmerksamkeit. Die Verhandlung ist zunächst für 25 Tage angesetzt. Mehr Informationen zum rechtlichen Rahmen der Sterbehilfe bietet die Deutsche Stiftung Patientenschutz.
Egal wie dieser Prozess ausgeht – er wird tiefe Narben hinterlassen. In den Familien der Verstorbenen, aber auch im Vertrauen vieler Menschen in die Palliativmedizin. Können wir dieses Vertrauen wiederherstellen?