Die Zeit scheint stillzustehen in der Sarcletti-Eisdiele an der Rotkreuzplatz. Seit 1879 werden hier Kugeln gedreht, bis heute zum Preis von zwei Euro das Stück. Familie Kurz hält seit Generationen an der Tradition fest, während um sie herum die Münchner Eispreise durchschnittlich bei 1,50 Euro starten und in Premiumlagen bis zu 3,20 Euro erreichen. Was ist das Geheimnis dieser Institution?
«Die Qualität muss stimmen, nicht der Preis», sagt Inhaber Stefan Kurz, während er Vanilleeis in eine Waffel dreht. «Unsere Großeltern haben das Handwerk aus Italien nach München gebracht, das verpflichtet.» Trotz steigender Kosten für Milch, Zucker und Strom hält die Familie an ihrer Preispolitik fest. Eine Seltenheit in Zeiten, in denen die Branche unter Inflationsdruck ächzt.
Dass dies möglich ist, liegt an einem speziellen Wirtschaftsmodell. «Wir produzieren alles selbst, von der Waffel bis zur Sauce», erklärt Kurz. Die hauseigene Produktion im Hinterzimmer läuft seit 5 Uhr morgens. Zusätzlich beliefert Sarcletti mehrere Restaurants in der Stadt, was die Kosten für den Einzelhandel ausgleicht.
Stammkundin Helga Maier (76) kommt seit ihrer Kindheit hierher: «Damals hat die Kugel 50 Pfennig gekostet. Aber der Geschmack ist geblieben.» Die Eisdiele ist mehr als ein Geschäft – sie ist ein Stück Münchner Geschichte. An Sommertagen bilden sich Schlangen bis zum Gehweg.
Während andere Eisdielen mit exotischen Kreationen wie Wasabi-Feige oder veganem Protein-Eis experimentieren, setzt Sarcletti auf Klassiker. «Stracciatella ist seit 40 Jahren der Renner«, schmunzelt Kurz. Diese Beständigkeit scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein.
In einer Stadt, wo selbst Traditions-Wirtshäuser schließen müssen, ist Sarcletti ein Phänomen. Was andere als altmodisch abtun würden, nennt Stefan Kurz «zeitlos». Und solange die Schlangen vor der Theke nicht kürzer werden, gibt es keinen Grund, daran etwas zu ändern.