Der umstrittene Öltanker «Eventin» vor der Küste Rügens darf vorerst nicht vom Staat beschlagnahmt werden. Das Oberlandesgericht Rostock hat die bereits angeordnete Einziehung des Schiffs gestoppt. Die Behörden vermuten, dass der Tanker seit über einem Jahr dort ankert, um Sanktionen gegen Russland zu umgehen. Mehr als 69.000 Tonnen Öl sollen sich noch im Bauch des Schiffes befinden.
Für die Anwohner an Rügens Ostküste ist der Tanker längst Teil der Landschaft geworden. «Vom Kreidefelsen aus sehen wir ihn jeden Tag», erzählt mir Fischermeister Hartmut Kretschmann aus Sassnitz. «Anfangs haben wir uns gewundert, jetzt gehört er fast schon dazu.» Dabei ist der 250 Meter lange Koloss ein internationaler Streitfall.
Die Rostocker Richter begründeten ihre Entscheidung mit formalen Fehlern. Das Landgericht Stralsund hatte die Einziehung angeordnet, ohne die Eigentümerfirma des Schiffs angemessen zu beteiligen. «Ein klarer Verstoß gegen rechtliches Gehör», erklärte ein Justizsprecher. Die Stralsunder Richter müssen den Fall nun neu aufrollen.
Sanktionsexperte Professor Kai Behrens von der Universität Greifswald sieht in dem Fall ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Sanktionen. «Internationale Schifffahrt, verschachtelte Firmenstrukturen und unterschiedliche Rechtssysteme machen solche Verfahren extrem komplex», sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock hat bereits angekündigt, in der nächsten Verhandlung neue Beweise vorzulegen. Für die Einwohner an Rügens Küste bleibt der Tanker ein Mahnmal der geopolitischen Spannungen – und die Frage, wie lange dieser ungebetene Gast noch vor ihrer Haustür ankern wird.