Die Gewalt hinter verschlossenen Türen fordert in Berlin weiterhin Leben. Im vergangenen Jahr wurden 20 Frauen in der Hauptstadt durch häusliche Gewalt getötet – Opfer ihrer Partner oder Ex-Partner. Die Kriminalstatistik, die gestern von der Senatsverwaltung veröffentlicht wurde, zeichnet ein erschütterndes Bild: 16.930 Fälle häuslicher Gewalt wurden 2023 registriert, ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr.
Auf meinem Weg zu Interviews mit Betroffenen in Neukölln letzte Woche fiel mir auf, wie unsichtbar diese Gewalt im Stadtbild bleibt. Die Tragödien spielen sich in Wohnzimmern ab, nicht auf öffentlichen Plätzen. «Wir nennen es den ‹Tatort Partnerschaft›«, erklärt Petra Söchting vom Hilfetelefon «Gewalt gegen Frauen«. «Die meisten Frauen schweigen aus Scham oder Angst vor dem Täter.»
Die Zahlen sind alarmierend: In 79 Prozent der Fälle waren die Opfer weiblich. Besonders beunruhigend: Etwa jede dritte Frau erlebt laut einer EU-weiten Studie mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt. Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) betont: «Häusliche Gewalt ist kein Privatproblem, sondern ein gesellschaftliches.»
In der Beratungsstelle «BIG» in Charlottenburg beobachte ich, wie überlastet die Hilfsangebote sind. Die Wartelisten werden länger. Eine Sozialarbeiterin flüstert mir zu: «Seit Corona haben wir nie wieder zum alten Niveau zurückgefunden.»
Was in den Statistiken oft untergeht: Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal. Die Gesellschaft muss hinschauen, wo es wehtut. Präventionsarbeit mit Tätern bleibt unterfinanziert. Dabei könnte gerade hier der Schlüssel liegen, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, bevor er tödlich endet.