Die Passionsspiele in Frankfurts Paulskirche haben am Wochenende mehr als 1.000 Besucherinnen und Besucher angezogen. Das historische Gebäude, sonst Symbol der deutschen Demokratie, verwandelte sich für drei Tage in einen ungewöhnlichen Theaterraum. Regisseur Ersan Mondtag inszenierte die letzten Tage Jesu als eindringliches Gesamtkunstwerk mit modernen Bezügen zur Gegenwart.
Was mich besonders beeindruckte: Die Schauspieler bewegten sich nicht nur auf der Bühne, sondern im gesamten Raum. Zwischen den historischen Säulen entfaltete sich ein Spiel, das religiöse Tradition mit zeitgenössischer Kunstsprache verband. «Wir wollen die Leidensgeschichte Jesu nicht einfach nacherzählen, sondern in unsere heutige Zeit übersetzen», erklärte Mondtag nach der Aufführung.
Die Paulskirche, normalerweise Ort für politische Gedenkveranstaltungen, wurde zum ersten Mal seit ihrer Wiedereröffnung 1948 für ein solches Theaterprojekt genutzt. Die Entscheidung war nicht unumstritten. Kulturdezernentin Ina Hartwig verteidigte das Projekt: «Die Paulskirche ist ein Ort der Reflexion über Grundwerte – genau das leisten diese Passionsspiele auf künstlerische Weise.»
Als ich durch die Reihen ging, hörte ich sowohl begeisterte als auch kritische Stimmen. Eine ältere Dame aus Sachsenhausen flüsterte: «So habe ich die Geschichte noch nie erlebt.» Ein Student dagegen fand die Inszenierung «zu provokant für diesen Ort».
Die Verbindung von biblischem Stoff und aktuellen Fragen nach Macht, Gewalt und Verantwortung machte die Aufführung zu mehr als religiösem Theater. Es war ein Nachdenken über gesellschaftliche Grundfragen an einem Ort, der wie kein zweiter für das Ringen um Freiheit und Demokratie steht.
Ob die Passionsspiele eine einmalige Ausnahme bleiben oder den Auftakt für eine neue kulturelle Nutzung der Paulskirche markieren, bleibt offen. Sicher ist: Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.