In München stehen Pendlerinnen und Pendler mittlerweile fast länger im Stau als in jeder anderen deutschen Großstadt. Nach einer aktuellen Studie der Allianz verbringen Münchner Berufstätige durchschnittlich 101 Minuten täglich auf dem Weg zur Arbeit – das sind über 16 Stunden pro Monat. Nur in Berlin ist die Situation mit 102 Minuten noch schlimmer.
Wer morgens durch Schwabing oder über den Mittleren Ring fährt, kennt das Bild: endlose Autoschlangen, genervte Gesichter und die ständige Blick auf die Uhr. «Die Infrastruktur kommt seit Jahren nicht mehr mit dem Wachstum der Stadt mit», erklärt Verkehrsexperte Michael Weber vom Münchner Mobilitätsrat. Der öffentliche Nahverkehr stößt ebenfalls an seine Grenzen.
Besonders dramatisch: Die durchschnittliche Pendelzeit hat sich seit 2019 um fast 15 Minuten verlängert. Viele Arbeitnehmer nehmen inzwischen längere Anfahrtswege in Kauf, weil sie sich die hohen Mieten im Stadtgebiet nicht mehr leisten können. «Wir sehen eine deutliche Verlagerung des Wohnens ins Umland», bestätigt Soziologin Dr. Andrea Maier von der LMU München.
Was mir bei meinen Recherchen besonders auffällt: Die Geduld der Münchner schwindet. Wo man früher das Pendeln als unvermeidlich hinnahm, wächst heute der Frust. Bei einer Umfrage an einer Tankstelle in Pasing hörte ich immer wieder den gleichen Satz: «So kann’s nicht weitergehen.«
Die Stadt reagiert mit dem Ausbau von Radwegen und plant weitere U-Bahn-Linien. Doch die Fertigstellung wird Jahre dauern. Bis dahin bleibt den rund 400.000 Pendlern nur die Wahl: früher aufstehen, Home-Office nutzen oder umziehen. Dabei stellt sich die Frage: Wie lange kann eine Stadt funktionieren, wenn ihre Arbeitskräfte täglich ein Sechstel ihres wachen Lebens im Verkehr verbringen?