Der Schrecken kehrte zurück nach Lahr, als gestern Abend ein Jugendlicher die Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht störte. Während Bürgermeisterin Gabriele Gürtler und rund 100 Teilnehmer der Opfer des Nazi-Terrors gedachten, soll der 15-Jährige rechtsextreme Parolen gerufen haben. Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen.
Der Vorfall trifft die Stadt im Schwarzwald in einer Zeit zunehmender antisemitischer Vorfälle deutschlandweit. «Die Störung hat uns alle tief getroffen», sagt Bürgermeisterin Gürtler mit sichtlicher Betroffenheit. «Ausgerechnet an diesem Tag der Erinnerung müssen wir erleben, dass die Schrecken der Vergangenheit in manchen Köpfen nie verschwunden sind.»
Wie mir Teilnehmer später berichteten, reagierten die Anwesenden mit einer Mischung aus Entsetzen und Entschlossenheit. Man ließ sich die Gedenkveranstaltung nicht nehmen, setzte sie würdevoll fort. Der Staatsschutz übernahm noch am selben Abend die Ermittlungen. Ein polizeilicher Sprecher bestätigte gegenüber regionalen Medien: «Wir nehmen solche Vorfälle sehr ernst und gehen ihnen mit allen rechtlichen Mitteln nach.»
In Lahr lebten vor 1933 rund 160 jüdische Bürgerinnen und Bürger. In der Pogromnacht 1938 wurde ihre Synagoge geschändet, jüdische Geschäfte wurden geplündert. Die jährliche Gedenkveranstaltung findet traditionell an der Gedenktafel der ehemaligen Synagoge statt – genau dort, wo der Jugendliche nun den Frieden störte.
Ich habe solche Gedenkfeiern oft begleitet und selten eine so beklemmende Stimmung erlebt wie nach diesem Zwischenfall. In Zeiten, in denen Antisemitismus wieder sichtbarer wird, wirkt diese Störung wie ein schmerzliches Weckzeichen. Mehr über Präventionsprogramme für Jugendliche in Baden-Württemberg bei der Landeszentrale für politische Bildung.
Die Stadt Lahr plant nun zusätzliche Bildungsangebote für Jugendliche. Der Fall zeigt: Das Erinnern an den Holocaust bleibt eine permanente gesellschaftliche Aufgabe. Oder wie es eine ältere Teilnehmerin nach der Veranstaltung sagte: «Wer die Geschichte vergisst, ist verdammt, sie zu wiederholen.»