Während das Landgericht Dresden heute den wohl größten Prozess gegen mutmaßliche Linksextremisten seit Jahren eröffnete, versammelten sich vor dem Gebäude mehrere hundert Unterstützer der vier Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe um den Leipziger Lina E. sowie Johann G., Lennart A. und Jannis R. die Bildung einer kriminellen Vereinigung und schwere Gewalttaten gegen vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten vor.
In meinen fast zwanzig Jahren als Politikreporterin habe ich selten eine solch aufgeladene Atmosphäre erlebt. Der Prozess wird unter hohen Sicherheitsvorkehrungen geführt – die Bundesanwaltschaft spricht von einer «militanten linksextremistischen Gruppe», die zwischen 2018 und 2020 gezielt Angriffe auf Neonazis verübt haben soll.
«Die Beschuldigten haben Menschen schwer verletzt und damit eine rote Linie überschritten«, erklärt Sachsens Innenminister Armin Schuster. Kritiker sehen dagegen eine unverhältnismäßige Kriminalisierung antifaschistischen Engagements.
Besonders brisant: Johann G. hatte sich jahrelang einer Festnahme entzogen und wurde erst im Dezember 2023 in Berlin gefasst. Die Urteilsverkündung gegen Lina E. im Mai 2023 hatte bundesweit Proteste ausgelöst. Sie erhielt fünf Jahre und drei Monate Haft, wurde aber zunächst unter Auflagen freigelassen.
Die Frage, wie der Rechtsstaat mit politisch motivierter Gewalt umgeht – egal aus welcher Richtung – wird die Gesellschaft auch nach diesem Prozess weiter beschäftigen. Wird die Justiz den schmalen Grat zwischen konsequenter Strafverfolgung und dem Eindruck politischer Verfolgung meistern können?