Als ich gestern Nachmittag vor dem Oberlandesgericht Dresden stand, herrschte eine merkwürdige Stimmung. Der mit Spannung erwartete Prozess gegen vier mutmaßliche Linksextremisten musste überraschend verschoben werden. Grund: Ein Schöffe ist erkrankt und keiner der Ersatzschöffen konnte kurzfristig einspringen.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe vor, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein. Sie sollen zwischen 2018 und 2020 mehrere gewalttätige Angriffe auf Rechtsextreme und deren Treffpunkte in Sachsen verübt haben. Ein besonders schwerwiegender Fall: der brutale Überfall auf die Betreiberin einer Gaststätte in Eisenach sowie einen Gast.
«Dieser Prozess hat enorme Bedeutung für die Sicherheitsarchitektur in Sachsen», erklärt mir Kriminologe Prof. Matthias Weber im Gespräch. «Die Gewaltbereitschaft in extremistischen Szenen nimmt zu – von beiden Seiten.» Während die Polizei nach eigenen Angaben die rechtsextreme Szene gut im Blick hat, ist die linksextreme Szene oft schwerer zu fassen.
Unter den Prozessbeobachtern waren gestern auch Unterstützer der Angeklagten. «Die Vorwürfe sind konstruiert, um eine legitime antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren», behauptet eine junge Frau, die sich als Sophie vorstellt.
In meinen fast zwanzig Jahren Berichterstattung habe ich selten einen Fall erlebt, bei dem die Fronten so verhärtet sind. Während die einen von «notwendigem Widerstand» sprechen, sehen andere hier «blanken Terrorismus».
Der Prozess soll nun am 27. September beginnen. Was bleibt, ist die Frage nach den Grenzen politischer Auseinandersetzung. Wann wird aus Aktivismus Gewalt? Und kann Gewalt jemals ein legitimes Mittel im demokratischen Diskurs sein? Dresden wird diese Debatte in den kommenden Wochen intensiv führen.