Die Verhandlung am Hamburger Landgericht im Fall der mutmaßlichen Zwangsprostitution geht in die nächste Runde. Heute sagte der Sohn der Hauptangeklagten aus – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die 54-jährige Angeklagte soll gemeinsam mit drei weiteren Personen ein Netzwerk betrieben haben, das mindestens 17 Frauen zur Prostitution zwang. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem Umsatz von über 2 Millionen Euro.
Als ich den Gerichtssaal betrat, fiel mir die angespannte Atmosphäre sofort auf. Die vier Angeklagten, die seit Januar auf der Anklagebank sitzen, vermieden jeden Blickkontakt miteinander. Besonders die Hauptangeklagte wirkte gefasst, aber angespannt.
Der 22-jährige Sohn der Hauptangeklagten wurde vom Gericht als Zeuge geladen. Seine Aussage erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, um sein Persönlichkeitsrecht zu schützen. Laut Anklageschrift soll er von den Machenschaften seiner Mutter gewusst haben, ohne selbst daran beteiligt gewesen zu sein.
«Wir gehen von einem professionell organisierten Netzwerk aus, das gezielt junge, teils minderjährige Frauen aus Osteuropa angeworben hat», erklärte Oberstaatsanwältin Maria Schneider. «Die Frauen wurden mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt und dann durch Gewalt und Drohungen zur Prostitution gezwungen.»
Eine ehemalige Betroffene, die anonym bleiben möchte, berichtete mir am Rande des Prozesses: «Sie nahmen uns die Pässe weg. Wer nicht spurte, wurde geschlagen oder mit Drohungen gegen die Familie eingeschüchtert.»
In Hamburg werden solche Fälle leider immer wieder bekannt. Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Betroffene aus Angst schweigen. Der aktuelle Prozess könnte wegweisend für die Verfolgung ähnlicher Fälle sein. Die Verteidigung bestreitet die Vorwürfe und spricht von einvernehmlicher Arbeit.
Das Urteil wird frühestens im August erwartet. Die Angeklagten drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Für die Betroffenen bleibt die Hoffnung auf Gerechtigkeit – und auf ein Leben jenseits von Ausbeutung und Gewalt.