Als ich gestern mit einem Rentner im Stuttgarter Café ins Gespräch kam, wurde mir wieder bewusst, wie emotional das Thema Frührente für viele Deutsche ist. Nun sorgt eine Forderung für Aufregung: Professor Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung, plädiert für deutlich höhere Abschläge bei der Rente mit 63. Statt bisher 0,3 Prozent pro Monat früheren Renteneintritts sollten es 0,5 Prozent sein – das könnte die monatliche Rente vieler Frührentner um mehrere hundert Euro schmälern.
Die Idee hinter dieser Forderung: Der Fachkräftemangel verschärft sich, während immer mehr Menschen früher in Rente gehen. Seit Einführung der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte 2014 haben über 1,5 Millionen Menschen diesen Weg gewählt. Das belastet die Rentenkasse und fehlt der Wirtschaft.
«Mit den aktuellen Abschlägen wird der frühere Renteneintritt faktisch subventioniert», erklärt Werding gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die höheren Kürzungen sollen die tatsächlichen Kosten widerspiegeln, die dem System entstehen.
Die Reaktionen fallen gemischt aus. Wirtschaftsvertreter nicken zustimmend, Gewerkschaften laufen Sturm. «Wer 45 Jahre gearbeitet hat, sollte ohne massive Einbußen früher gehen können», sagte mir Verdi-Vertreter Michael Schmidt bei einer Veranstaltung in München letzte Woche.
Meine Erfahrung aus Gesprächen mit Betroffenen zeigt: Viele, die körperlich anstrengende Berufe ausüben, können schlicht nicht bis 67 durchhalten. Andererseits sehe ich in meinem Bekanntenkreis zunehmend Menschen, die freiwillig länger arbeiten – wenn die Bedingungen stimmen.
Die Diskussion trifft den Nerv einer alternden Gesellschaft. Während die Politik über finanzielle Anreize nachdenkt, stellt sich die grundsätzlichere Frage: Wie gestalten wir Arbeit so, dass mehr Menschen länger arbeiten können und wollen? Die Debatte dürfte uns noch lange beschäftigen – während die ersten Babyboomer gerade ihre Rentenanträge ausfüllen.