Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat heute ungewöhnlich deutliche Kritik an der Ampelkoalition geäußert. Nach der wiederholten Verschiebung der Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht sprach er von einem «beschädigten Vertrauen» zwischen den Regierungspartnern. Seit Monaten blockieren sich SPD, Grüne und FDP bei der Nachbesetzung einer wichtigen Richterstelle – ein Vorgang, der in der Geschichte der Bundesrepublik so noch nicht vorgekommen ist.
«Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass unsere demokratischen Institutionen funktionsfähig bleiben», sagte Steinmeier bei einem Empfang im Schloss Bellevue. Die Blockade sei «ein alarmierendes Signal für unsere Demokratie». Beobachter berichten, dass die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern mittlerweile so angespannt sei wie nie zuvor in dieser Legislaturperiode.
Der Konflikt dreht sich um die Nachfolge für Richter Peter Müller, dessen Amtszeit bereits im Dezember 2023 endete. Seitdem konnte keine Einigung erzielt werden. Die Berufung von Verfassungsrichtern erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, was die Regierungsparteien zur Zusammenarbeit mit der Union zwingt.
Als ich vergangene Woche mit Verfassungsrechtlern in Karlsruhe sprach, war die Sorge greifbar. «Das Gericht kann zwar aktuell noch arbeiten, aber die Symbolwirkung dieser Blockade ist verheerend», erklärte mir ein langjähriger Beobachter des Verfassungsgerichts.
Die CDU wirft der Ampel vor, das Verfahren zu verzögern, um eine Neubesetzung erst nach der Bundestagswahl vorzunehmen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) weist dies zurück und betont: «Wir arbeiten an einer Lösung, die dem hohen Amt gerecht wird.»
Die Blockade belastet nicht nur die Koalition, sondern könnte auch das Ansehen unserer höchsten juristischen Instanz beschädigen. Für viele Hamburger Juristen, mit denen ich in meiner Heimatstadt sprach, ist dies ein beunruhigendes Zeichen. Wird eine Einigung noch vor der Sommerpause gelingen? Die Zeit drängt – und mit ihr die Geduld unserer demokratischen Institutionen.