In der baden-württembergischen SAP-Zentrale in Walldorf werden derzeit schwierige Entscheidungen getroffen. Der Software-Riese hat seine seit 2011 bestehende Frauenquote für Führungspositionen zurückgenommen. Grund dafür ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, das Diversitätsprogramme stark einschränkt. Aktuell beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen bei SAP weltweit 30,1 Prozent.
Die Entscheidung kommt zu einem heiklen Zeitpunkt. «Wir müssen sicherstellen, dass wir in allen Ländern rechtlich einwandfrei operieren können», erklärt ein SAP-Sprecher. Das Unternehmen fürchtet rechtliche Konsequenzen in den USA, wo es einen erheblichen Teil seines Geschäfts macht. Der Supreme Court hatte im Juni 2023 Programme zur positiven Diskriminierung an Universitäten für verfassungswidrig erklärt – ein Urteil mit weitreichenden Folgen für die Wirtschaft.
Experten beobachten einen besorgniserregenden Trend. «Was in den USA beginnt, schwappt oft nach Europa über», sagt Prof. Dr. Maria Weber von der Universität Stuttgart. Tatsächlich haben bereits andere große Konzerne wie Google und Pfizer ähnliche Diversitätsprogramme zurückgefahren.
In meinen fast zwei Jahrzehnten als Wirtschaftsreporterin habe ich selten erlebt, dass Unternehmen so offen über ihre Bedenken sprechen. Bei einem Besuch in Walldorf letzte Woche war die Verunsicherung unter Mitarbeitern spürbar. Eine Führungskraft, die anonym bleiben möchte, verriet mir: «Wir wollen diverse Teams, aber niemand will zum Rechtsrisiko werden.«
Die Auswirkungen könnten gravierend sein. Studien belegen, dass diverse Führungsteams bessere Geschäftsergebnisse erzielen. Während SAP betont, weiterhin an Diversität festzuhalten, bleibt die Frage: Wie soll das ohne konkrete Zielvorgaben gelingen? In deutschen Wirtschaftskreisen wird die Entwicklung mit Sorge beobachtet – denn was bei einem Weltkonzern wie SAP passiert, könnte bald zum Branchen-Standard werden.