Die Bundesregierung steht vor einem Herbst voller sozialpolitischer Herausforderungen. Gestern traf sich der Koalitionsausschuss von SPD und CDU/CSU, um über die geplanten Sozialreformen zu beraten. Im Mittelpunkt: Das umstrittene Bürgergeld, die Erhöhung des Kindergeldes und steuerliche Entlastungen für Geringverdiener. Jeder dritte Deutsche sorgt sich laut aktueller Forsa-Umfrage um die soziale Gerechtigkeit im Land.
Nach meinen Beobachtungen aus fast zwei Jahrzehnten politischer Berichterstattung erleben wir eine der angespanntesten Phasen der Sozialpolitik. Die Fronten zwischen den Koalitionspartnern sind verhärtet. «Wir können uns in der aktuellen Haushaltslage keine weiteren Ausgabensteigerungen leisten«, betonte Finanzminister Christian Lindner gestern nach dem sechsstündigen Treffen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken konterte: «Soziale Gerechtigkeit ist kein Luxus, den wir uns nur in guten Zeiten leisten können.«
Besonders umkämpft bleibt die geplante Reform des Bürgergeldes. Die Union fordert schärfere Sanktionen bei Arbeitsverweigerung, während die SPD auf Qualifizierungsmaßnahmen und bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten setzt. Ein Kompromiss zeichnet sich bei den Steuererleichterungen ab: Die kalte Progression soll abgebaut, der Grundfreibetrag erhöht werden.
In Hamburg, wo ich diese Woche mit Betroffenen sprach, zeigt sich die Dringlichkeit: Viele Familien können trotz Vollzeitarbeit kaum ihre Mieten bezahlen. Die Regierung steht unter Druck, liefern zu müssen. Die Frage bleibt: Gelingt der große sozialpolitische Wurf oder droht ein Herbst der verpassten Chancen?