In Deutschland entflammt die Debatte um die Zukunft der Sozialsysteme erneut. SPD-Chef Lars Klingbeil fordert, dass Besserverdienende stärker zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen sollen. In einer Zeit steigender Lebenshaltungskosten und wachsender Ungleichheit trifft seine Forderung auf ein gespaltenes Echo – besonders nach dem jüngsten Haushaltsstreit der Ampelkoalition.
«Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache», betont Klingbeil im aktuellen Interview mit dem SPIEGEL. Konkret plädiert er dafür, die Beitragsbemessungsgrenze für Kranken- und Pflegeversicherung anzuheben oder ganz abzuschaffen. Momentan zahlen Gutverdiener nur bis zu einem Monatseinkommen von 5175 Euro Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung ein.
Die Idee ist nicht neu, gewinnt aber an Brisanz. In Hamburg höre ich immer wieder, wie Normalverdiener über explodierende Mieten und Lebensmittelpreise klagen, während viele Besserverdiener kaum Einschränkungen spüren. Diese Schere wird größer.
Aus Wirtschaftskreisen kommt Kritik. «Eine weitere Belastung des Mittelstands gefährdet unseren Wirtschaftsstandort», warnt die Arbeitgebervereinigung. Finanzexperten geben zu bedenken, dass die Reform allein nicht ausreicht, um das Defizit in den Sozialsystemen langfristig zu decken.
Die Pläne der SPD passen in ihre Strategie, sich als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren – besonders mit Blick auf die nächsten Wahlen. Während meiner Recherchen in Baden-Württemberg spürte ich, wie zerrissen die Bevölkerung beim Thema Umverteilung ist. Ein Handwerksmeister sagte mir: «Ich verstehe das Anliegen, aber irgendwann ist die Belastungsgrenze erreicht.»
Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie solidarisch muss unser Sozialsystem sein? Und wer definiert, was «gerecht» ist? Die Antworten darauf werden den sozialen Frieden in Deutschland maßgeblich prägen.