Die SPD steht vor einer ihrer größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Beim Parteitag in Hamburg kamen gestern 600 Delegierte zusammen, um nach dem historischen Tief bei der Bundestagswahl über einen Neuanfang zu diskutieren. Mit nur 15,8 Prozent erreichte die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik. Parteichef Lars Klingbeil sprach von «schmerzhaften, aber notwendigen Konsequenzen».
Die Stimmung im Saal war gedrückt, aber nicht hoffnungslos. Als ich zwischen den Delegierten stand, spürte ich diese typische Mischung aus Trotz und Aufbruchstimmung, die die SPD in Krisenzeiten oft entwickelt. Klingbeil räumte Fehler ein: «Wir haben den Kontakt zu unserer Basis verloren und sind als Partei der sozialen Gerechtigkeit nicht mehr erkennbar gewesen.»
Besonders die Wirtschafts- und Sozialpolitik soll neu ausgerichtet werden. Das vorgestellte «Zukunftsprogramm 2030» fokussiert auf bezahlbaren Wohnraum, stabile Renten und klimaneutrale Industriepolitik. «Die SPD muss wieder die Partei sein, der die Menschen vertrauen, wenn es um ihre Alltagssorgen geht», betonte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.
Für Diskussionen sorgte auch die Frage der Kanzlerkandidatur. Ein Delegierter aus Baden-Württemberg brachte es auf den Punkt: «Wir brauchen nicht nur neue Gesichter, sondern vor allem neue Antworten.»
Der erfahrene Gewerkschafter Klaus Weber aus München erhielt viel Applaus: «Die Leute wollen keine Sonntagsreden mehr hören. Sie wollen spüren, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen.»
Ob dieser Parteitag tatsächlich den erhofften Wendepunkt markiert, bleibt offen. Klar ist: Die SPD muss ihre sozialdemokratische Identität neu definieren, um wieder mehrheitsfähig zu werden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Mut zur kritischen Selbstreflexion ausreicht, um neues Vertrauen aufzubauen.