Die Bürgerämter in Berlin bleiben ein Dauerthema. Wer online einen Termin ergattern will, braucht oft wochenlange Geduld – oder Glück. Laut einer Erhebung der Innenverwaltung lag die durchschnittliche Wartezeit für einen Bürgeramtstermin zuletzt bei 32 Tagen. Für Menschen, die dringend einen neuen Personalausweis benötigen, eine Ummeldung vornehmen müssen oder andere behördliche Angelegenheiten haben, ist das kaum zumutbar.
Doch unter Hauptstädtern hat sich ein ungeschriebenes Gesetz etabliert: Die Warteschlange vor Öffnung. «Ich bin heute morgen um 6:30 Uhr zum Bürgeramt Neukölln gefahren und war die Zweite in der Reihe», erzählt Jutta Schreiber, die dringend ihren Reisepass verlängern musste. «Um 8 Uhr öffneten die Türen, und um 9:15 Uhr war ich fertig.»
Diese spontanen Vorsprachen sind offiziell möglich – allerdings nur für Notfälle und in begrenzter Anzahl. «Wir vergeben jeden Tag etwa 20 zusätzliche Termine vor Ort», bestätigt ein Mitarbeiter des Bürgeramts Mitte. Besonders früh am Morgen oder kurz vor der Mittagspause lohnt sich das Vorbeischauen.
Ich selbst habe diese Methode vor einigen Jahren in Tempelhof-Schöneberg ausprobiert, als ich nach einem Umzug keine Zeit für lange Wartezeiten hatte. Eine Stunde vor Öffnung stand ich bereits vor der Tür – und erhielt tatsächlich einen Spontantermin.
Die Bezirke reagieren unterschiedlich auf den Terminmangel. In Charlottenburg-Wilmersdorf etwa werden inzwischen vermehrt Samstagstermine angeboten. Pankow experimentiert mit einem neuen Wartesystem.
Für die Berliner bleibt es ein Geduldsspiel. Doch wer früh aufsteht und die ungeschriebenen Regeln kennt, kann dem System ein Schnippchen schlagen. Bis die digitale Verwaltung wirklich funktioniert, werden die Warteschlangen vor den Bürgerämtern wohl weiterhin zum Berliner Stadtbild gehören – beinahe wie der unvollendete Flughafen es einst war.