Die Dresdner Kulturszene macht mobil gegen den politischen Rechtsruck. Stadtschreiber Alexander Estis nutzte gestern seine Antrittslesung vor 200 Gästen im Stadtmuseum für einen eindringlichen Appell. Der Schweizer Lyriker warnte: Eine Gesellschaft, die Kultur als verzichtbaren Luxus betrachte, verliere ihre demokratische Substanz. Besorgniserregend sei, dass rechte Parteien in ganz Europa kulturfeindliche Positionen vertreten.
Estis, der seit Mai als 32. Stadtschreiber in Dresden wirkt, zeichnete ein düsteres Bild der Gegenwart. «In einer Welt, die von Krisen erschüttert wird, in der Kriege und Katastrophen uns umgeben, wird Kultur oft als Luxus abgetan», sagte er. Dabei sei gerade Kultur das Bollwerk gegen Unmenschlichkeit.
Seine Warnung fällt in eine aufgeheizte Stimmung. Nach der Europawahl blicken viele Kulturschaffende besorgt auf die kommenden Landtagswahlen in Sachsen. Die Angst vor Mittelkürzungen ist groß.
Die Dresdner Kulturamtsleiterin Annekatrin Klepsch betonte bei der Veranstaltung die besondere Verantwortung der Kunst: «Kultur muss Brücken bauen, wenn andere Mauern errichten wollen.» In meinen fast zwanzig Jahren Kulturberichterstattung habe ich selten so viel Unruhe in der Szene erlebt wie derzeit.
Was in Dresden passiert, ist kein Einzelfall. In ganz Deutschland formieren sich Kulturinitiativen gegen rechte Tendenzen. Die Frage bleibt: Kann Kunst politische Strömungen wirklich beeinflussen oder predigt sie nur zu den bereits Überzeugten?