Im Schatten der Rentendebatte entwickelt sich eine nicht minder beunruhigende Krise. Die Gesundheitskosten in Deutschland steigen rasant und drohen das Solidarsystem der Krankenversicherung zu überfordern. Nach Berechnungen des GKV-Spitzenverbands fehlen im kommenden Jahr mindestens 8,5 Milliarden Euro – ein Defizit, das ohne Gegenmaßnahmen zu empfindlichen Beitragserhöhungen führen könnte.
«Wir steuern auf einen perfekten Sturm zu», warnt Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. «Die demographische Entwicklung, teure Innovationen und strukturelle Ineffizienzen treffen auf leere Kassen.» Dieses Zusammenspiel erinnert an die Situation 2003, die zur Einführung der Praxisgebühr führte – eine Maßnahme, die damals höchst umstritten war.
Die Ursachen sind vielschichtig. Einerseits steigen die Ausgaben für neue Therapien und Medikamente, wie die kürzlich zugelassenen Alzheimer-Präparate, die pro Patient jährlich bis zu 26.500 Euro kosten können. Gleichzeitig belasten die Corona-Nachwirkungen und eine alternde Gesellschaft das System. Während meiner Recherchen in einer Berliner Hausarztpraxis wurde deutlich: Die Patienten werden komplexer, multimorbider und benötigen intensivere Betreuung.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt Deutschland bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit mit 6.700 Euro im oberen Drittel, jedoch ohne entsprechend bessere Versorgungsergebnisse. «Unser System leidet nicht an Unterfinanzierung, sondern an Fehlallokation», erklärt Professor Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut.
Was bedeutet das für Versicherte? Kurzfristig droht ein Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um mindestens 0,4 Prozentpunkte. Langfristig stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Leistungen die Solidargemeinschaft noch tragen kann und will. Die Politik muss nun Farbe bekennen: Strukturreformen oder höhere Beiträge? Beides ist unpopulär, aber die Zeit drängt. Die Gesundheit unseres Versorgungssystems hängt davon ab, wie mutig wir jetzt handeln.