Die Hiobsbotschaft erreichte Stuttgart kurz vor Weihnachten: Der Teilstart des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 verzögert sich erneut. Frühestens Ende 2027 werden die ersten Züge durch den neuen Tiefbahnhof rollen – ein weiteres Jahr später als bisher angekündigt. Für die 2,3 Millionen Menschen im Großraum Stuttgart bedeutet dies zusätzliche Jahre mit Baustellenchaos und Zugausfällen. Die Deutsche Bahn begründet die Verzögerung mit «technischen Herausforderungen» beim Tunnelbau.
«Wir stoßen immer wieder auf unerwartete geologische Probleme», erklärt Projektleiter Olaf Drescher. Besonders im Filderbereich sei der Untergrund komplexer als erwartet. Ich erinnere mich, wie schon bei meiner Berichterstattung 2019 Geologen vor genau diesen Schwierigkeiten warnten – damals wurden ihre Einwände noch als übertrieben abgetan.
Die Kosten explodieren weiter. Von ursprünglich geplanten 4,5 Milliarden Euro ist das Projekt inzwischen bei über 11 Milliarden angelangt. Verkehrsexperte Wolfgang Holzhey spricht von einem «finanziellen Fass ohne Boden» und kritisiert: «Die wahren Kosten wurden der Öffentlichkeit von Anfang an verschwiegen.»
In der Stuttgarter Innenstadt macht sich Ernüchterung breit. Café-Besitzerin Marie Lechner seufzt: «Wir halten seit zehn Jahren die Baustellen vor der Tür aus, mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Jetzt sollen wir noch länger durchhalten?»
Die Verzögerung wirft auch Fragen zur geplanten Fernverkehrs-Digitalisierung auf. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann fordert nun «absolute Transparenz bei allen weiteren Planungen».
Die Dauerbaustelle Stuttgart 21 bleibt ein Mahnmal deutscher Infrastrukturprojekte. Während anderswo in Europa Großprojekte termingerecht fertiggestellt werden, zeigt sich in Stuttgart: Zwischen ambitionierter Planung und harter Realität liegen manchmal nicht nur Jahre, sondern Milliarden.