In Mülheim an der Ruhr hat gestern ein 82-jähriger Mann gestanden, seine gleichaltrige Ehefrau getötet zu haben. Vor dem Landgericht Duisburg schilderte der Rentner, wie er nach jahrzehntelanger Ehe im Dezember 2023 seine demenzkranke Frau mit einem Kissen erstickt hat. Laut Staatsanwaltschaft handelte er aus «Liebe und Verzweiflung» – ein tragischer Fall, der die Grenzen zwischen Straftat und Verzweiflungstat aufzeigt.
«Ich konnte nicht mehr zusehen, wie sie leidet», erklärte der Angeklagte mit brüchiger Stimme im Gerichtssaal. Seine Frau litt seit Jahren an fortschreitender Demenz, erkannte ihn zuletzt kaum noch. Als pflegerische Hauptperson war der betagte Mann rund um die Uhr gefordert. Trotz ambulanter Unterstützung fühlte er sich zunehmend überfordert. «Er hat sich aufgeopfert, wollte sie niemals in ein Heim geben», berichtete seine Tochter, die als Zeugin aussagte.
Die Richter zeigten sichtliches Verständnis für die verzweifelte Lage des Mannes. Der psychiatrische Gutachter stellte eine schwere Belastungsstörung fest, die seine Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkte. Der Staatsanwalt betonte: «Wir sehen hier keinen kaltblütigen Mord, sondern eine Tat aus tiefer Verzweiflung.»
In meinen fast zwanzig Jahren als Reporterin habe ich mehrfach über ähnliche Fälle berichtet. Die Grenzen zwischen Fürsorge und Überforderung sind oft fließend, besonders wenn Pflegende selbst hochbetagt sind. In Hamburg etwa bieten spezielle Beratungsstellen Unterstützung für pflegende Angehörige an – Hilfsangebote, die viele erst zu spät kennenlernen.
Das Gericht wird voraussichtlich nächste Woche ein Urteil fällen. Experten erwarten eine milde Strafe, möglicherweise auf Bewährung. Der Fall wirft grundsätzliche gesellschaftliche Fragen auf: Wie können wir Pflegende besser unterstützen? Und wo beginnt das Recht auf selbstbestimmtes Sterben? Fragen, die uns alle betreffen – früher oder später.