In einem unscheinbaren Trainingsgelände im Süden Deutschlands lernen ukrainische Soldaten derzeit den Umgang mit dem Flugabwehrpanzer Gepard. Was von außen als rein militärisches Training erscheint, hat einen oft übersehenen humanitären Aspekt: Die Sicherung medizinischer Versorgungsrouten in einem Land, dessen Gesundheitssystem unter massivem Beschuss steht.
«Wir behandeln täglich Patienten, deren Verletzungen hätten verhindert werden können, wenn kritische Infrastruktur besser geschützt wäre», erklärt Dr. Olena Kowaltschuk vom Kiewer Militärkrankenhaus. Seit Kriegsbeginn wurden über 1.400 ukrainische Gesundheitseinrichtungen beschädigt oder zerstört – ein systematischer Angriff auf die zivile Versorgung, der an die gezielte Bombardierung von Krankenhäusern im syrischen Bürgerkrieg erinnert.
Die Ausbildung am Gepard ist technisch anspruchsvoll. Ukrainische Soldaten müssen binnen weniger Wochen komplexe Radar- und Waffensysteme beherrschen. Ein Teilnehmer, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, erzählt mir: «Zu Hause fehlen Schmerzmittel und Antibiotika. Wenn wir Transportwege für Medikamente sichern können, retten wir mehr Leben als nur durch direkte Kampfeinsätze.»
Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer «beispiellosen Gesundheitskrise». Die Situation erinnert an die Belagerung Sarajevos in den 1990er Jahren, als medizinische Versorgungswege zur lebenswichtigen Ressource wurden. Heute ist die Technologie komplexer, die grundlegende humanitäre Herausforderung jedoch erschreckend ähnlich.
Was in Deutschland als Militärhilfe diskutiert wird, hat für die Ukraine eine unmittelbare zivil-medizinische Dimension. Die Fähigkeit, Luftangriffe abzuwehren, bedeutet auch den Schutz von Rettungswagen, Feldlazaretten und Medikamententransporten. Während politische Debatten oft abstrakt bleiben, steht für medizinisches Personal und Patienten in der Ukraine täglich Leben auf dem Spiel.
Die Frage bleibt: Wie lässt sich ein System wiederherstellen, in dem medizinische Neutralität respektiert wird? Während ukrainische Soldaten hier den Gepard bedienen lernen, braucht es parallel internationale Anstrengungen, um das Grundprinzip des humanitären Völkerrechts zu verteidigen – dass Kranke und Verwundete stets geschützt werden müssen, unabhängig davon, auf welcher Seite sie stehen.