In Hamburg zeigen neue Zahlen der Jugendhilfe ein besorgniserregendes Bild: Über 4.800 Kinder waren im letzten Jahr von Vernachlässigung oder Missbrauch betroffen. Das sind mehr als 13 Fälle täglich, bei denen Jugendämter eingreifen mussten. Besonders erschreckend: Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da viele Fälle nie gemeldet werden.
«Die Zahlen sind alarmierend, aber nicht überraschend», erklärt Martin Weber vom Hamburger Kinderschutzbund. «Nach der Pandemie sehen wir die Langzeitfolgen der Isolation und wirtschaftlichen Belastung vieler Familien.» Besonders in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und beengten Wohnverhältnissen steigt die Gefahr für Kinder.
Bei meinen Recherchen in Billstedt und Wilhelmsburg begegneten mir Erzieherinnen und Sozialarbeiter, die von ihrer täglichen Gratwanderung berichten. «Manchmal sehen wir blaue Flecken oder ein Kind, das plötzlich verstummt», erzählt eine Kita-Leiterin, die anonym bleiben möchte. «Die Entscheidung, wann wir das Jugendamt einschalten, ist nie leicht.»
Trotz steigender Fallzahlen wurde das Personal in den Jugendämtern kaum aufgestockt. Eine Sozialarbeiterin betreut durchschnittlich 35 Familien gleichzeitig – zu viele, um wirklich präventiv arbeiten zu können.
Die Stadt hat nun ein Sofortprogramm angekündigt. Doch reichen fünf neue Stellen und mehr Fortbildungen aus? Fachleute bezweifeln das. Denn am Ende geht es nicht nur um Kontrolle, sondern um echte Unterstützung für überforderte Familien. Und die braucht mehr als nur gute Absichten.