Im märkischen Oderbruch herrscht gespenstische Stille, wo sonst tausende Kraniche auf ihrer Herbstroute rasten. «Ich habe in 40 Jahren Naturschutz noch nie so etwas erlebt», sagt Dr. Monika Heinz, Leiterin der Vogelschutzstation Lebus, mit brüchiger Stimme. Der aktuelle H5N1-Ausbruch, der bisher über 120.000 Wildvögel und 380.000 Nutztiere das Leben gekostet hat, übertrifft alle bisherigen Epidemien seit der ersten deutschen Welle 2006.
Die Virulenz dieser Variante beunruhigt Experten besonders. Während die Vogelgrippe bislang hauptsächlich im Winter auftrat, persistiert der aktuelle Stamm auch bei sommerlichen Temperaturen. Das Robert-Koch-Institut hat die Überwachung intensiviert, nachdem in Brandenburg zwei Fälle von Übertragungen auf Menschen dokumentiert wurden – bisher mit milden Verläufen. «Wir beobachten eine besorgniserregende Anpassungsfähigkeit des Virus», erklärt Prof. Johannes Müller vom Friedrich-Loeffler-Institut. «Die genetischen Veränderungen erinnern an Muster, die wir vor der Schweinegrippe-Pandemie 2009 sahen.»
In den betroffenen Landkreisen kämpfen Veterinäre und Landwirte mit den Folgen. Die Geflügelwirtschaft verzeichnet Verluste von geschätzt 140 Millionen Euro. Besonders bitter: Der Ausbruch trifft auf ein ohnehin fragiles Ökosystem nach drei Dürresommern. Die EU-Kommission hat inzwischen Notfallhilfen freigegeben und Deutschland zum Hochrisikogebiet erklärt.
Die Eindämmungsstrategien stehen vor großen Herausforderungen. Das Zusammenspiel von Klimawandel, intensiver Tierhaltung und globalen Handelsströmen erschwert die Kontrolle. Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Ein neuer Impfstoffansatz aus deutsch-niederländischer Forschung zeigt in ersten Feldversuchen vielversprechende Ergebnisse. Für die diesjährigen Zugvogelpopulationen kommt jede Hilfe jedoch zu spät. Bleibt die Frage: Wie können wir solche Ausbrüche künftig verhindern, statt sie nur zu bekämpfen?