In der sengenden Hitze eines Feldlazaretts in Gaza-Stadt wird die Diskrepanz zwischen diplomatischen Worten und humanitärer Realität besonders deutlich. Während meines Besuchs vergangene Woche behandelten Ärzte ohne Grenzen Kinder mit Unterernährung – ein Problem, das laut WHO-Bericht bereits 40 Prozent der unter Fünfjährigen in der Region betrifft. Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul kritisierte nun scharf die deutsche Position während des jüngsten Ministerbesuchs und verglich die Situation mit dem Bosnienkrieg der 1990er Jahre, als internationale Untätigkeit zu vermeidbarem Leid führte.
«Deutschland versteckt sich hinter diplomatischen Floskeln, während die medizinische Infrastruktur zusammenbricht», erklärte Wadephul gestern im Bundestag. Die Realität vor Ort gibt ihm recht: Von ehemals 36 Krankenhäusern sind nur noch acht teilweise funktionsfähig. Dr. Miriam Elhajj vom Al-Shifa Krankenhaus berichtet: «Wir operieren bei Kerzenlicht, während draußen über Friedensbedingungen verhandelt wird.» Die Genfer Konventionen zum Schutz medizinischer Einrichtungen werden systematisch missachtet – ein Muster, das auch aus anderen regionalen Konflikten bekannt ist.
Die Geschichte des Nahost-Konflikts ist geprägt von verpassten Gelegenheiten. Wadephuls Kritik trifft den wunden Punkt: Deutschland balanciert zwischen historischer Verantwortung gegenüber Israel und humanitären Verpflichtungen. Das Außenministerium verwies auf die erhöhten Hilfszahlungen von 120 Millionen Euro, doch Experten der Charité Berlin betonen: Geld allein löst das Problem nicht, wenn Medikamente an Checkpoints festhängen.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Menschen in Gaza und die deutsche Außenpolitik? Die Antwort liegt weder in einseitigen Schuldzuweisungen noch in passiver Diplomatie. Wenn Wadephuls Kritik etwas bewirken soll, dann die Erkenntnis, dass medizinische Grundversorgung keine Verhandlungsmasse sein darf – unabhängig von politischen Positionen. Die Frage bleibt: Wie lange noch messen wir den Erfolg diplomatischer Missionen an wohlklingenden Kommuniqués statt an der Zahl geretteter Leben?