Seit Wochen sorgt Sahra Wagenknechts neue Partei BSW für Unruhe im politischen Berlin. Nach dem Wahlerfolg in Thüringen kokettiert die Parteigründerin plötzlich mit Gedankenspielen zu möglichen Kooperationen mit der AfD – wenn auch unter Bedingungen. «Eine Koalition mit der AfD schließen wir aus, aber einzelne Sachthemen kann man gemeinsam umsetzen», erklärte Wagenknecht gestern im Deutschlandfunk. Laut aktueller Forsa-Umfrage könnten 18 Prozent der Deutschen sich eine solche Zusammenarbeit vorstellen.
Die Aussagen markieren eine politische Kehrtwende. Noch im Wahlkampf hatte Wagenknecht jede Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei kategorisch ausgeschlossen. Professor Martin Koschkar, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, sieht darin kalkulierte Strategie: «Das BSW versucht, Wähler im Osten zu binden, die zwischen AfD und Wagenknecht schwanken.»
In Thüringen, wo das BSW bei der Landtagswahl auf Anhieb 15,8 Prozent erreichte, könnten Wagenknechts Äußerungen bereits konkrete Folgen haben. Die Regierungsbildung gestaltet sich schwierig, da weder ein rot-rot-grünes Bündnis noch eine Koalition aus CDU, BSW und SPD eine Mehrheit hätte.
Beobachter sehen die Entwicklung mit Sorge. «Wer mit Extremisten paktiert, normalisiert deren Positionen», warnt die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. In meinen fast zwanzig Jahren als politische Berichterstatterin habe ich selten eine so deutliche Veränderung der politischen Brandmauer erlebt wie in den vergangenen Wochen.
Die Debatte berührt den Kern unseres demokratischen Selbstverständnisses. Während die etablierten Parteien an ihrer Abgrenzung zur AfD festhalten, verschieben sich im Osten Deutschlands die Koordinaten. Es bleibt die Frage: Kann man den Brand löschen, indem man mit dem Feuer spielt? Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Wagenknechts Flirt mit den Rechten ihr politisches Kapital mehrt – oder verbrennt.