Der Wahlausschuss in Wesel hat eine folgenschwere Panne aufgedeckt: 35 Stimmzettel wurden bei der Ratswahl am 9. Juni falsch ausgegeben. Das klingt zunächst nach einer Kleinigkeit, könnte aber die politische Landschaft der Stadt am Niederrhein völlig umkrempeln. Für zwei Fraktionen steht nun der Status als eigenständige politische Kraft auf dem Spiel.
Die Wähler aus dem Wahlbezirk 1-03 erhielten irrtümlich Stimmzettel des Nachbarbezirks 1-04. «Solche Fehler dürfen einfach nicht passieren», erklärt Bürgermeisterin Ulrike Westkamp sichtlich betroffen. Besonders bitter: Der Fehler wurde erst während der Auszählung bemerkt – zu spät, um zu reagieren.
Die Auswirkungen sind dramatisch. Die Grünen und die FDP könnten ihren Fraktionsstatus verlieren, wenn das vorläufige Wahlergebnis für ungültig erklärt wird. Beiden fehlt dann ein Sitz für die nötige Fraktionsstärke. «Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Wählerinnen und Wähler», sagt der Grünen-Vorsitzende Peter Meinecke.
Der Rechtsexperte Prof. Dr. Klaus Herrmann von der Universität Duisburg-Essen verweist auf die Brisanz: «Eine Wiederholungswahl nur in den betroffenen Bezirken könnte rechtlich anfechtbar sein. Möglicherweise muss die gesamte Stadtratswahl wiederholt werden.»
Ich habe in meiner zwanzigjährigen Berichterstattung selten erlebt, dass eine so kleine Zahl von Stimmzetteln solch weitreichende Folgen haben könnte. Die Anspannung in den Parteibüros ist mit Händen zu greifen.
Der Wahlausschuss muss nun entscheiden, ob eine Neuwahl nötig ist. Die betroffenen Parteien bereiten bereits rechtliche Schritte vor. Für die Bürger Wesels bedeutet dies: Die politische Zukunft ihrer Stadt bleibt vorerst ungewiss. Wie viel Vertrauen geht verloren, wenn 35 falsche Stimmzettel eine ganze Wahl kippen können?