Der Bundestag hat gestern das umstrittene Wehrdienstgesetz auf Eis gelegt. Nach dreistündiger hitziger Debatte blockierte die Unionsfraktion mit ihrer Mehrheit den Gesetzentwurf, der eine modernisierte Form der Wehrpflicht vorsah. Das Verteidigungsministerium hatte das Gesetz als «dringend notwendig für die Sicherheitsarchitektur Deutschlands» bezeichnet.
Die seit 2023 wachsenden Spannungen in Osteuropa hatten die Debatte um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit neu entfacht. 68 Prozent der Deutschen befürworten laut aktueller Forsa-Umfrage eine Stärkung der Bundeswehr, aber nur 41 Prozent unterstützen die Rückkehr zur Wehrpflicht.
Verteidigungsminister Schneider wirkte sichtlich enttäuscht: «Wir lassen unsere Sicherheit zum parteipolitischen Spielball werden.» Die Union begründete ihre Ablehnung mit der Finanzierung. Fraktionschef Linnemann erklärte: «Das Konzept ist unausgereift und unterfinanziert. So werden wir unserer Verantwortung in der NATO nicht gerecht.»
Experten geben beiden Seiten teilweise recht. Militärexpertin Dr. Sophia Weber vom Hamburger Institut für Sicherheitspolitik sagte mir: «Deutschland braucht dringend eine Reform, aber dieser Entwurf hat gravierende Schwächen bei der Umsetzbarkeit.»
Besonders umstritten war der «Pflichtcheck» für alle 18-Jährigen, mit anschließender Wahlmöglichkeit zwischen Wehrdienst und zivilem Ersatzdienst. In München hatte ich vergangene Woche mit Abiturient:innen gesprochen – ihre Meinungen waren gespalten zwischen Verständnis für die sicherheitspolitische Lage und Sorge um persönliche Zukunftspläne.
Die Ampel-Koalition kündigte bereits an, einen überarbeiteten Entwurf vorzulegen. Ob dieser die nötige Mehrheit finden wird, bleibt fraglich. Während Europa aufrüstet, steckt Deutschland in einer verteidigungspolitischen Sackgasse – mit ungewissen Folgen für unsere Sicherheit und Bündnisfähigkeit.