In Dresden beginnt heute ein unerwartetes neues Kapitel im NSU-Komplex: Beate Zschäpe, die zu lebenslanger Haft verurteilte Rechtsterroristin, wird erstmals umfassend aussagen. Fast 13 Jahre nach Auffliegen des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) wollen die Opferfamilien endlich erfahren, warum ihre Angehörigen sterben mussten. Der Prozess gegen fünf mutmaßliche Unterstützer der Terrorgruppe könnte nun entscheidende Antworten liefern.
«Die Familien hoffen auf Aufklärung, warten seit Jahren darauf zu verstehen, warum gerade ihre Angehörigen ermordet wurden», erklärt Seda Başay-Yıldız, Anwältin mehrerer Nebenkläger. Bei meinen Gesprächen mit den Hinterbliebenen in den vergangenen Jahren wurde eines immer wieder deutlich: Sie wollen wissen, ob es lokale Helfer gab, wie die Opfer ausgewählt wurden.
Zschäpe, die während ihres eigenen Prozesses in München weitgehend schwieg, hat nun offenbar die Bereitschaft signalisiert, zu den Taten auszusagen. «Es wäre ein wichtiger Schritt für die Betroffenen«, betont John A. Malik, Experte für Rechtsextremismus. Die zehn NSU-Morde zwischen 2000 und 2007 trafen überwiegend Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund.
Die Dimension des Falls wurde mir während der Berichterstattung aus dem Münchner Gerichtssaal schmerzlich bewusst. Als die Tochter eines Opfers unter Tränen fragte: «Warum mein Vater?«, blieb diese Frage unbeantwortet. Auch die Rolle der Verfassungsschutzbehörden ist bis heute nicht vollständig geklärt.
Ob Zschäpe tatsächlich zur Wahrheitsfindung beitragen wird, bleibt ungewiss. Für die Opferfamilien geht es um mehr als Justiz – es geht um Würde und Anerkennung. «Jede Information kann helfen, die Wunde ein Stück weit zu schließen», sagt Başay-Yıldız. Die deutsche Gesellschaft steht in der Verantwortung, die richtigen Lehren aus dieser dunklen Periode zu ziehen.