Der Streit um eine Zwangsabgabe für den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart ist wieder voll entbrannt. Die grüne Gemeinderatsfraktion hat gestern ihre Vorschläge zum städtischen Haushalt vorgestellt – und darin die umstrittene «Mobilitätsabgabe» erneut ins Spiel gebracht. Alle Menschen mit Wohnsitz in Stuttgart sollen demnach monatlich einen Pflichtbeitrag zahlen und im Gegenzug ein vergünstigtes ÖPNV-Ticket erhalten.
Die Idee ist nicht neu, aber die Debatte hat an Schärfe gewonnen. «Wir brauchen mutige Schritte, um die Klimaziele zu erreichen und den Verkehr in der Stadt zu entlasten», betont Fraktionschef Björn Peterhoff. Die Fraktion will bis 2026 mindestens 40.000 Stuttgarter zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegen. Nach ihren Berechnungen könnte die Pflichtabgabe bei etwa 30 Euro monatlich liegen.
Bei meinem gestrigen Besuch im Rathaus war die Stimmung spürbar angespannt. Der Widerstand formiert sich bereits: «Eine solche Zwangsabgabe ist rechtlich höchst bedenklich und sozial ungerecht», kontert CDU-Fraktionssprecher Alexander Kotz. Ähnlich sieht es die FDP, die von einem «unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit» spricht.
Die Stuttgarter Verkehrsbetriebe halten sich bedeckt. Ein Sprecher erklärte mir: «Wir begrüßen grundsätzlich Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV, die Ausgestaltung ist jedoch Sache der Politik.»
Interessant ist, dass das Modell in einigen Universitätsstädten bereits funktioniert – allerdings nur für Studierende. In Tübingen, nur 40 Kilometer entfernt, gibt es seit Jahren das Semesterticket als Pflichtabgabe.
Für die Stuttgarter stellt sich nun die Frage: Ist es legitim, alle Bürger zu einer Abgabe zu verpflichten, auch wenn sie den ÖPNV kaum nutzen? Der Gemeinderat wird in den kommenden Wochen intensiv darüber beraten. Eine Entscheidung dürfte nicht vor dem Frühjahr fallen. Die Debatte zeigt einmal mehr: Der Weg zur Verkehrswende ist auch in Stuttgart steinig.